Vorwarnung
In diesem Beitrag wird nichts beschönigt. Wir sind der Meinung, dass aversives Hunde-Zubehör nicht verwendet werden
sollte.
Fühl dich bitte nicht persönlich angegriffen, wenn du feststellst, dass du etwas besitzt, dass aversiv ist. Du versuchst deinem Hund ein möglichst gutes Leben zu ermöglichen und du bist
bereit dazu zu lernen. Das ist alles was zählt. Letztendlich ist alles was wir als Hundehalter/Hundehalterin tun können, es in Zukunft besser zu machen.
Definition
Wir definieren Equipment als aversiv, wenn es designt ist Hunden Unbehagen oder Schmerz zuzufügen (natürlich kann jeder Gegenstand aversiv eingesetzt werden, das ist aber nicht das Hauptthema in diesem Beitrag), um sie dazu zu bringen sich so zu verhalten, wie wir es wollen.
Ziel dieses Beitrags ist es, dir dabei zu helfen:
- zu verstehen, was das Problem mit aversivem Hunde-Zubehör ist
- aversives Hunde-Zubehör im Fachhandel zu erkennen
Was ist das Problem mit aversivem Hunde-Equipment?
Die Zoofachhandel Industrie nutzt das fehlende Verständnis von Hundehaltern/Hundehalterinnen für Hundeverhalten auf
der einen Seite und ihr Bedürfnis nach unkomplizierten Lösungen auf der anderen Seite, aus. In der Beschreibung von Hunde-Zubehör, werden Hunde häufig als „ungehorsam“, „stur“ oder „frech“
bezeichnet, um den Einsatz von unangenehmen oder schmerzhaften Hilfsmitteln zu rechtfertigen.
Doch Hunde verhalten sich nie absichtlich „falsch“.
Sie haben nur noch nicht gelernt, sich in dieser bestimmten Situation so zu verhalten, wie du es dir wünscht.
Training unter entsprechender Ablenkung, der Ausschluss von gesundheitlichen Ursachen und das Reduzieren von negativen Emotionen sind notwendig, damit dein Hund erwünschtes Verhalten zeigen
kann.
Aversives Equipment ist eine scheinbar einfache Lösung, die jedoch die körperliche und psychische Gesundheit deines Hundes negativ beeinflussen kann und dadurch sogar weitere unerwünschte Verhaltensweisen verursachen kann.
Aber Leute würden doch aversives Zubehör nicht kaufen, wenn es nicht funktionieren würde
- doch, würden sie. Dafür ist gutes Marketing da.
- Um Susan Friedman, international anerkannte Expertin in Verhaltenswissenschaften, zu zitieren „Effektivität ist nicht genug“. Nur weil du dein Kind zu Gehorsamkeit zwingen kannst, heißt das nicht, dass du das auch tun solltest. Gleiches gilt für deinen Hund.
- Aversives Hundezubehör funktioniert, weil es Verhalten unterdrückt. Es kaschiert jedoch nur Symptome und ändert nichts an der Ursache. Unser Trainingsziel ist deshalb echte Verhaltensänderung.
Anmerkung zu Verhaltensunterdrückung
Kurz zusammengefasst: jedes Verhalten dient einem bestimmten Zweck und gibt uns Information darüber was der Hund in einem bestimmten Moment fühlt. Deshalb hat Verhaltensunterdrückung diese Folgen:
- Du verlierst wichtige Informationen über deinen Hund und kannst ihn deshalb immer schlechter einschätzen
- Dein Hund entwickelt möglicherweise noch viel größere Verhaltensauffälligkeiten, weil du nicht an der Ursache seines Verhaltens gearbeitet hast.
Mein Lieblingsbeispiel ist Knurren: Hunde knurren, um Abstand zu etwas/jemandem herzustellen, das ihnen Unbehagen bereitet. Bestrafst du das Knurren, kann es sein, dass dein Hund anfängt „ohne Vorwarnung zu beißen“. Denn selbst wenn er aufhört in dieser Situation zu knurren, fühlt dein Hund sich noch immer unwohl und will den Abstand vergrößern. Doch weil seine subtileren Kommunikationsversuche gescheitert sind, bleibt ihm nur noch übrig zuzubeißen.
Vorsicht vor Gewöhnung
Strafe, so wie sie in der Lerntheorie definiert ist, ist alles, das die Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens, unter bestimmten Umständen, senkt.
Strafe funktioniert nur, wenn sie „richtig“ angewandt wird (Wir raten vom Einsatz von Strafe ab, nochmal, „Effektivität ist nicht genug“):
- zum richtigen Zeitpunkt
- in der richtigen Intensität
- jedes Mal
- das unerwünschte Verhalten muss sofort aufhören
Wenn du bedenkst, wie viele Hunde wie verrückt an der Leine ziehen, obwohl sie ein Würgehalsband tragen wird klar,
dass das Zubehör allein oft nicht ausreicht. Was passiert nennt sich Habituation – sich nach einiger Zeit an einen Reiz gewöhnen.
Das ist eine sehr hilfreiche Fähigkeit. Ziehst du zum Beispiel in eine sehr belebte Wohngegend, hilft dir Habituation nach einiger Zeit, trotz Verkehrslärm, einzuschlafen.
Das bedeutet aber auch, dass Hunde sich an aversive Reize gewöhnen können und du deshalb den aversiven Reiz immer weiter steigern musst.
So erkennst du aversives Equipment
Fall nicht auf falsche Versprechungen herein
Achte beim Lesen der Produktbeschreibung auf folgende Hinweise:
- Die Verwendung von Schlagworten wie einfach, schnell, Stress frei, sofort, ungehorsamer Hund, harmlos aber effektiv, garantiert schnelle Erfolge, ahmt "natürliche Korrekturen von Mutterhündinnen" nach.
- Die Botschaft ist: du musst deinen Hund nicht trainieren, das Werkzeug übernimmt das Training (z.B.: etwas bringt deinem Hund bei, nicht an der Leine zu ziehen oder nicht zu bellen)
- Die Bewertungen: viele Leute werden schreiben, dass sie „schon alles probiert haben, aber nur das hat funktioniert“ – aber haben sie auch Zeit in wissenschaftsbasiertes Training investiert?
- Das Verspechen den Effekt des Werkzeugs nicht in Zusammenhang mit dem Hundehalter zu bringen: es ist das Geschirr, das sich zusammenzieht, das Halsband, das schockt, oder ein unangenehmes Geräusch abgibt. Hunde sind sehr, sehr gut Zusammenhänge zu erkennen und es gibt keine Garantie, dass sie den aversiven Reiz des Zubehörs nicht mit ihrem Besitzer in Verbindung bringen.
- Das Problem ist auf Knopfdruck gelöst: Hunde sind keine Maschinen - Hundezubehör, das verspricht ein Verhalten auf Knopfdruck zu beenden, funktionieren nur weil der ausgelöste Reiz sehr unangenehm ist, selbst wenn du das nicht so empfindest (z.B. Halsbänder, die ein Geräusch machen, das für dich nicht hörbar ist).
Untersuche die Funktionsweise
Besonders bei Halsbändern und Brustgeschirren ist es wichtig die Funktionsweise hinter ihrem „Erfolg“ zu verstehen. Beantworte die folgenden Fragen:
- Wie groß ist die Oberfläche, mit der das Zubehör am Hund aufliegt? (je kleiner die Fläche, desto unangenehmer der Reiz)
- Wo ist das Zubehör positioniert? (Der Übergang von Kopf zu Nacken, die Achseln oder Lenden sind besonders empfindliche Stellen)
- Aus welchem Material ist es gemacht? (mehr darüber erfährst du in unserem Beitrag über Halsbänder und Brustgeschirre)
Rechtliche Bestimmungen
In Österreich ist es laut Tierschutzgesetz verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen.
Auch wenn dieser Abschnitt den Einsatz von aversiven Trainingswerkzeugen defacto verbietet, wird der Gesetzestext noch konkreter. Gegen den vorhergehenden Absatz verstößt unter anderem wer:
- Stachelhalsbänder, Korallenhalsbänder oder elektrisierende oder chemische Dressurgeräte verwendet oder
- technische Geräte, Hilfsmittel oder Vorrichtungen verwendet, die darauf abzielen, das Verhalten eines Tieres durch Härte oder durch Strafreize zu beeinflussen oder
- Halsbänder mit einem Zugmechanismus verwendet, der durch Zusammenziehen das Atmen des Hundes erschweren kann.
Zusammenfassung
Wir hoffen, dass dir, nachdem du diesen Beitrag gelesen hast, die Folgen von aversivem Hunde-Zubehör bewusst sind.
Obwohl manche Trainer/Trainerinnen die Anwendung von aversivem Zubehör als unethisch empfinden und deshalb ablehnen, gehört es bei anderen Trainern/Trainerinnen zur Grundausstattung. Sollte dein
Trainer zur zweiten Kategorie gehören, solltest du dir überlegen den Trainer/die Trainerin zu wechseln.
Wir können uns nur wiederholen: Das richtige Equipment ist nützlich, ersetzt jedoch kein Training.
Wenn du dich fragst, wie du Probleme verhindern kannst, bevor dein Hund gut genug trainiert ist, haben wir hier
ein paar Tipps für dich.
Wenn du das Problem nicht allein lösen kannst, suche dir Unterstützung von einem Trainer/einer Trainerin oder Verhaltensberater/Verhaltensberaterin und prüfe seine/ihre Qualifikationen (Universitäre Ausbildung, staatliche Gütesiegel und Mitgliedschaft in professionellen Organisationen). Wie du den passenden Hundetrainer findest erklären wir dir hier.
In Eileen's Beitrag findest du eine Liste wissenschaftlicher Studien, die sich mit den Nebenwirkungen aversiver Trainingsmethoden (z.B. Meideverhalten, generalisierte Ängste, Aggression, erlernte Hilfslosigkeit) beschäftigen.
In den folgenden Blog-Beiträgen kannst du übrigens noch mehr über das richtige Equipment für deinen Hund erfahren:
Diese Beiträge sind in Zusammenarbeit mit Kutyaegyetem / The Dog Nerd entstanden.
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